Observation und Zugriff

Concealed Carry ist derzeit ein heißes und oft diskutiertes Thema. Was uns hierzu oft fehlt, ist die Stellungnahme eines Anwenders, eines Operators der genau dies täglich anwendet. 

Dank unsrer guten Verbindung zu aktiven Anwender in Spezialeinheiten konnten wir David 33 Jahre aus einer polizeilichen Spezialeinheit einige Fragen zu diesem Thema stellen. 

Dieser Guide beinhaltet ausschließlich Tipps und Informationen zur Anwendung verdeckt getragener Waffen und stellt kein Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit da. 

Holsterwerk Team :

„David, wie bindest du die Vielzahl an Holster Varianten in deinem beruflichen Alltag ein und welche Varianten nutzt du?“ 

David:

„Ich unterscheide in meinem polizeilichen Arbeitsalltag zwischen drei unterschiedlichen Tragevarianten. Das offensive Arbeiten, ohne darauf aufpassen zu müssen, dass man die Waffe sieht, offensiv eben. Dann gibt es das zivile Arbeiten, jedoch mit einem ganz klaren, Zugriffsauftrag. Hier trage ich meine Waffe am liebsten auf der vier Uhr Position, weil diese der offensiven Variante am ähnlichsten kommt und ich die meisten Trainings so durchgeführt habe. 

Zusätzlich gibt es noch das verdeckte Arbeiten, also Observation usw., hier trage ich meisten Appendix. Das Problem ist natürlich, dass jede neue Position mehr Training in Anspruch nimmt, hierbei versuche ich jedoch ein bisschen mit Wahrscheinlichkeiten zu arbeiten, also in welchem der drei Szenarien ist es am wahrscheinlichsten, dass ich meine Waffe schnell ziehen muss. 

Zusätzlich gibt es natürlich noch unkonventionelle Trageweisen, bspw. in Taschen, Rucksäcken, oder in Fahrzeugen. Hierüber muss man sich im Vorhinein Gedanken machen, wie man die Waffe verstaut und wie man sie holstern kann. Die Waffe samt Holster lose in einen Rucksack zu legen halte ich für fahrlässig. Hier sollte der Rucksack so modifizieren sein, dass man bspw. die Clips in ein Innenfach einklicken kann.

Es gibt natürlich viele Möglichkeiten solch kleine Modifikationen umzusetzen. Super sind hier auch kleine Sonderanfertigungen von spezialisierten “Gearschmieden”. 

Außerdem sollte eine solche Möglichkeit nicht angewendet werden, wenn man die Kurzwaffe schnell ziehen müsste. 

Fahre ich also in eine rote, unklare Lage, dann liegt die Waffe nicht im Rucksack hinter dem Fahrersitz und auch nicht in der Türablage (siehe unten), sondern ist griffbereit, vielleicht sogar zwischen Oberschenkel und Sitz. Man sitzt quasi auf der Waffe, sodass nur der Griff herausschaut. Ich bevorzuge hier allerdings auch, dass die Waffe noch im Holster steckt, sodass sich auf keinen Fall ein Schuss unbeabsichtigt lösen kann. Als Fahrer und/oder als Einzelbesatzung käme hier eventuell der Bereich zwischen Sitz und Mittelarmlehne in Frage. Hier muss man auch gemäß seinen jeweiligen SOPs arbeiten. Vielleicht kann der eine oder andere auch eine Klett/Flausch Lösung nutzen, bei welcher das Holster mittels Klett unterhalb oder seitlich des Lenkrades platziert werden kann.

Für die zivilen Trageweisen nutze ich ein IWB Holster und für die zugriffsorientierte ein OWB Holster. Da beide Holster jeweils ohne Sicherungen sind, ist der Griff und die Ziehbewegung nahezu identisch und birgt für mich kein Mehraufwand im Training, außer dass es eine andere Position ist.

Im Einsatzfall kann es auch durchaus passieren, dass ich IWB anfange, nach einiger Zeit und bspw. aufgesessen auf einem Fahrzeug auf OWB wechseln muss, da ein Zugriff unmittelbar bevorsteht. Im Anschluss wird dann noch eine offensive Maßnahme gefahren, sodass ich dann das dritte Holster, die ganz offensive Variante nutze. Somit bin ich manchmal bei drei unterschiedliche Holstern an einem Einsatztag. Deshalb lege ich Wert darauf, dass diese so identisch wie möglich sind und absolut einfach in der Handhabung“.

Holsterwerk Team:

„Wie führst du deine Waffe bei einem geplanten, zivilen Zugriff und welche Holster Variante bevorzugst du?“ 

David:

„Meine Waffe wird beim rein, zivilen Arbeiten in einem Kydexholster geführt, welches ich versuche, bei Observationen immer Appendix zu tragen. Ich finde es ist die beste Möglichkeit eine Waffe, gerade wenn man bspw. keine Subkompaktwaffe hat zu verstecken und mit etwas Übung kann man die Waffe auch sehr schnell ziehen/holstern. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich bei einer Observation schnell meine Waffe brauche, ist eher gering, deswegen wähle ich diese Option.

Sollte es nur um einen Zugriff in zivil gehen, ohne vorherige Observation führe ich meine Waffe auf der vier Uhr Position, da dies meine gewohnte Stelle für die Waffe ist.“

Holsterwerk Team:

“ Gibt es einen Unterschied zum Führen in Fahrzeugen und wo liegen dort die Schwierigkeiten? „

David:

“ Im Fahrzeug gibt es ein Spannungsfeld zwischem schnellem Zugriff auf der einen Seite und Unfallschutz auf der anderen Seite. Oft unterschätzt wird, was für schwere Verletzungen umherfliegende Gegenstände (z.B. eine geladene Glock 19 inkl. Magazin) bei Unfällen verursachen können. Hier sind noch nicht einmal hohe Geschwindigkeiten notwendig. Als praktikabel für mich hat sich die Türablage herausgestellt. Hier ist der Zugriff zu einem gegeben und ich erreiche sie zum anderen relativ schnell. 

Herrausfordernd kann selbstverständlich auch das am Mann tragen werden, denn zum Einen wird es nach einiger Zeit einfach unbequem und zum Anderen sind genau diese Stellen, an denen ich meine Waffe trage (Appendix /vier Uhr Position) prädestiniert für Becken- oder Abdomenverletzungen. 

Bei kurzen Aufenthalten in Fahrzeugen lasse ich meine Waffe jedoch auch einfach am Mann, sobald ich länger fahre lege ich sie ab, hier siegt einfach die Bequemlichkeit, denn pro Einsatz 40 mal sein Holster an und wieder auszuziehen macht auch keinen Sinn.

Geht es dann in die reine Zugriffsphase lege ich das Holster wieder an, gerade hierfür brauche ich gute Clips, sodass es schnell und einfach geht. Das ständige ein- und ausfädeln mit meinem Gürtel kann ich nicht ausstehen.“  

Holsterwerk Team:

“ Angenommen du stehst kurz vor einer oder mitten in einer Zugriffssituation, was machst du mit deiner Kurzwaffe?“

David:

“ Hierzu kann ich nur sagen, dass ich grundsätzlich vermeide eine Festnahme zu tätigen wenn ich meine Kurzwaffe in der Hand halte. Grundsatz ist und bleibt beim Umgang mit Kurzwaffen, gerade wenn sie über keine externe Sicherung verfügen: Schaffen ohne Waffen ! Selbstverständlich gibt es Ausnahmesituationen, bei denen es nicht anders geht und auch das sollte trainiert werden. 

Zudem ist es einen enormer Unterschied ob ich bspw. in einem Kriegsgebiet bin und von einem feindlichen Kombattanten angegriffen werde, oder als Polizist in Deutschland, der eine Festnahme durchführt. Meiner persönlichen Meinung nach, sollten keine militärischen Nahkampftaktiken, bei denen z.B. mit Waffen geschlagen und gearbeitet wird ins polizeiliche Portfolio einfließen. Leider ist das in letzter Zeit immer häufiger zu sehen. Es gibt mit Sicherheit Elemente, welche in beiden Bereichen vorkommen, bspw. Waffensicherung, für das reine Agieren verbietet es sich jedoch. Nicht etwa weil es schlecht ist, sondern weil wir als Polizei mit ganz anderen, rechtlichen Rahmenbedingungen arbeiten müssen. Und wer einmal bspw. mit Simguns (Simunition/FX) richtiges “ force on force” im Nahkampf trainiert hat, der weiß wie schnell sich ein Schuss aus einer Kurzwaffe lösen kann. Seltsamerweise wird oft mit Blueguns / Redguns trainiert und es passiert nie etwas…

Aus diesem Grund gilt für mich: Das schlagen mit der Waffe zum Kopf des Gegners – geht nicht! 

In einem solchen Fall, bspw. bei einem körperlichen Angriff versuche ich die Waffe schnellstmöglich zu Holstern, deswegen nutze ich auch nur Kydexholster, da ich durch das bekannte “Klick”- Geräusch zu einer gewissen Sicherheit weiß, dass die Waffe verstaut ist. (Sollte dies nicht möglich sein, muss lageangepasst eine Position gewählt werden, bei der der Fremdzugriff auf die Waffe verhindert werden kann, jedoch die Mündungssicherheit absolut gegeben ist, dies kann z.B. “Temple Index” oder eine SUL / Modified SUL-Position sein (SOP Abhängig). Sollte sich dann hierbei im Gerangel ein Schuss lösen, geht der hoffentlich in die Decke und nicht in den Kopf eines 22-Jährigen, betrunkenen Ehemannes, der gerade seine Frau verprügelt hat. 

Parallel zu dem Holstervorgang versuche ich mich natürlich, wann immer möglich zu schützen, sei es mit meiner freien Hand, Fußtritten etc. hier gibt es unzählige Möglichkeiten und Techniken.“

Holsterwerk Team:

“ Wo siehst du den klaren Vorteil von Kydexholster gegenüber Lederholster?“ 

David:

„Der Vorteil von Kydex- gegenüber Lederholstern ist ganz klar, dass diese formstabil sind und ich ein, so sage ich immer: “positives Feedback” durch das Klicken bekomme. Im Allgemeinen würde ich sowieso niemals Lederholster tragen, gerade wenn das Holster/Waffe Appendix geführt wird. Zudem gibt es genügend negative Beispiele, bei denen sich Schüsse innerhalb von alten, “ausgelutschten” Lederholstern unbeabsichtigt gelöst haben“.